Karner AHAS 7

Herbert KARNER

Jesuitische Sakralräume und ignatianische Spiritualität

Mit wachsendem Interesse haben sich in jüngerer Zeit die Geisteswissenschaften erneut dem ungeheuren kulturellen Erbe der Societas Jesu zugewandt und dabei wegweisende, interdisziplinäre Ansätze zur Auseinandersetzung entwickelt. Für die Analyse von Wesen und Erscheinungsform des Jesuitendramas etwa tritt zunehmend die (in den noch heute verbindlichen Exercitia spiritualia kodifizierte) Spiritualität des Ordens in den Vordergrund. In hohem Maß von der applicatio sensuum geleitet, basiert die jesuitische Meditationstechnik auf einer methodisch genau beschriebenen Verbildlichung des gestellten Themas. Dieser an eigenem Leib und eigener Seele erfahrene Kontext von bildlicher Vorstellung und geistiger Versenkung hat die Jesuiten sehr früh veranlaßt, dem Bild eine zentrale Funktion in ihren seelsorgerischen Vermittlungsstrategien zu überantworten; bildwissenschaftliche Untersuchungen bestätigen das. 

Dieser Beitrag geht nun der Frage nach, inwieweit eine solche Bindung an Methode und Ziel der Exerzitien nicht auch für die Ausgestaltung von jesuitischen Ordenskirchen Bedeutung besessen haben könnte. Im Zentrum der Überlegungen steht dabei die von Ignatius von Loyola festgelegte „Compositio Loci“, wonach in der Imagination des Exerzitanten der „Schauplatz“ des zu meditierenden Themas möglichst detailliert und unter Verwendung aller Sinne eingerichtet werden soll.

Diese Methode vom „Aufbau des Ortes“ spiegelt sich, so die These, in konkreten künstlerischen Gestaltungsprozessen wider.  Beispielhaft wird dieser Zusammenhang an drei spezifischen Detaillösungen in Jesuitenkirchen untersucht, die sich in Ligurien, in Böhmen und im Piemont befinden: entwicklungsgeschichtlich wohl von den Quarant’ore-Apparaten abzuleitende, scheinarchitektonische Raumerweiterungen an Apsiswänden und einen ausschließlich mit bildhauerischen Mitteln hergestellten Altar.

Die dabei entwickelten Überlegungen wollen keinesfalls einen neuen "Jesuitenstil" postulieren, sie wollen aber ein aus der inneren Identität des Ordens gespeistes Element skizzieren, das die Entstehung von Werken in unterschiedlichen Medien, in unterschiedlichen Landschaften und zu unterschiedlichen Zeiten als verbindende Wurzel begleitet hat.