Murovec AHAS 10nem

Barbara MUROVEC

Die Vorauer Passionsbilder. Johann Caspar Waginger und die Barockmalerei in der Steiermark

Johann Caspar Waginger war lange Zeit nur als einer der drei Maler bekannt, die die Klosterkirche St. Thomas in Vorau freskiert haben. Mit der Entdeckung seiner Unterschrift auf den Fresken im Presbyterium der Kirche St. Lorenz in Podčetrtek/Windischlandsberg (1712) im Jahr 1976 (von ihm sind höchstwahrscheinlich auch die Fresken im Schiff, die unter der abblätternden jüngeren Bemalung aus dem Jahr 1904 zum Vorschein kommen), hat sich sein Oeuvre bedeutend vergrößert, denn gleichzeitig wurde ihm auf der Basis eines Stilvergleichs die Ausmalung der naheliegenden Marienkirche in Slake zugeschrieben, wofür sich dann später auch die archivalische Bestätigung fand. Die nächste monumentale Innenraumdekoration, die als ein Werk Wagingers identifiziert wurde, war die Decke des großen Saals in Schloss Dornava (Dornau) aus dem Jahr 1708, allerdings gingen die Meinungen über diesen profanen Auftrag lange Zeit auseinander. Als letztes wurde Waginger das Fresko im Treppenhaus in Schloss Brežice/Rann (um 1718) zugeschrieben, das früher als Werk Franz Ignaz Flurers galt. In jüngster Zeit hat Igor Weigl vier Ölbilder mit Waginger in Zusammenhang gebracht, Supraporten aus dem Schloss Slovenska Bistrica (Windisch Feistritz), und auf die Erwähnung verschiedener Gemälde Wagingers im Nachlassinventar von Ignaz Maria Attems aufmerksam gemacht.

Ausgehend von den bisherigen Attributionen zeigt sich, dass Wagingers Auftraggeber zunächst die Vorauer Augustiner-Chorherren, später die Adelsfamilien Sauer und Attems waren; auch die in diesem Beitrag neu zugeschriebenen Werke entstanden in ihrem Auftrag.Obwohl Wagingers Tätigkeit für die Augustiner-Chorherren in Vorau im Protocollum Voraviense antiquissimum dokumentiert ist, wo er als Maler der Kapellen und der Emporen angeführt wird, beschränkte sich die Literatur auf eine nur sehr zurückhaltende Erwähnung dieser Tatsache, denn es bestand bereits von Anfang an das Problem der Autorschaft der Fresken bzw. ihrer genauen Abgrenzung zwischen Waginger und den aus Wien gerufenen Malern Carl Ritsch und Joseph Grafenstein, aber auch der Einordnung der Vorauer Ausmalungen in das Werk kaum bekannter Künstler. Wagingers Opus begann sich erst mit der Erforschung der Denkmäler in der slowenischen Steiermark zu erweitern. Im vorliegenden Beitrag werden dem Maler aufgrund stilistischer Vergleiche auch Werke zugeschrieben, die für das Vorauer Kloster entstanden sind. Es handelt sich um sieben große Ölbilder in der Vorauer Friedhofskirche Hl. Kreuz mit Darstellungen der Passion Christi: Ölberg, Judaskuss, Geißelung, Dornenkrönung, Ecce homo, Christus fällt unter dem Kreuz und Grablegung. Von gleichem Format sind zwei weitere Bilder: Kreuzigung und Kreuzabnahme in der Kirche hl. Johannes d. T. auf dem Friedhof des Klosters, von denen sich letzteres, eine Kopie nach Luca Giordano, stark von Wagingers Gemälden unterscheidet, so dass es das Werk eines anderen Malers sein muss. Im Presbyterium der Klosterkirche sind neben dem berühmten Bild Mariä Himmelfahrt, einem Werk Antonio Belluccis, Darstellungen des hl. Thomas, des Kirchenpatrons, und Ottokars III., dem Stifter des Klosters, auf den Kredenzaltären. Ihrer Attribution ist die Fachwelt bisher immer ausgewichen. Ein Vergleich mit den Passionsbildern, und vor allem mit den Fresken der Apostel in der Kapelle in Schloss Borl (Ankenstein) in der Nähe von Ptuj (Pettau), erlaubt die Zuschreibung sowohl der Vorauer Kredenzaltärenbilder als auch der Wand- und Deckenmalereien in Schloss Borl, das zu Beginn des 18. Jahrhunderts im Besitz der Familie Sauer war, an ein und denselben Maler, nämlich Johann Caspar Waginger. In der Komposition wie im bildlichen Ausdruck stimmt der Apostel Paulus mit dem Bild desselben Apostels aus dem Pfarrhaus in Koblenz bei Knittelfeld überein, das sich jetzt in der Grazer Alten Galerie befindet und als ein Werk Hans Adam Weissenkirchers gilt. Waginger hat – wie es für Barockmaler üblich war – graphische Blätter und Gemälde öfter nachgeahmt, beide dienten ihm aber vor allem als Kompositionsvorlagen (z. B. in Dornava, in Borl); bei der Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit an der Decke des Presbyteriums in Slake zum Beispiel lehnte er sich an dieselben bildlichen Quellen an, die auch andere in der Steiermark tätigen Maler verwendeten, unter ihnen auch Johann Cyriak Hackhofer, sein Nachfolger als Klostermaler in Vorau. Wagingers Tätigkeit für das Vorauer Kloster war wahrscheinlich nicht nur eine kurze Episode, sonden wir können vermuten, dass er mehrere Jahre ständig für die Augustiner-Chorherren unter Propst Philipp Leisl tätig war, bevor er neue Aufträge von Franz Anton Sauer für Borl und Dornava sowie von Ignaz Maria Attems erhielt, für den er bis zu seinem Tod arbeitete. Für die Vorauer Augustiner-Chorherren dürfte Waginger außer den Ölgemälden auch die Fresken in der Pfarrkirche St. Georg in Waldbach (zum Stifte Vorau gehörig) gemalt haben, die bisher als ein Werk Carl Ritschs galten. Der Vergleich mit den Fresken von Ritsch an der Decke der Vorauer Klosterkirche und der Bibliothek im Kloster Heiligenkreuz auf der einen Seite und mit den Fresken von Waginger etwa in den Kapellen in Vorau und in der Kirche von Slake auf der anderen Seite, spricht für eine solche Neuzuschreibung.

Die zahlreichen Attributionen der letzten Jahre erhellen langsam das bedeutende Werk des in den beiden ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts in der Steiermark tätigen Malers und rücken ihn von seiner Randposition ins Zentrum der führenden Vertreter sowohl der Decken- als auch der Tafelmalerei.