Lozar AHAS 8nem

Maja LOZAR ŠTAMCAR

Darstellung eines biedermeierlichen Interieurs auf Schloß Šrajbarski turn

Das Renaissanceschloss Šrajbarski turn über Leskovec (Thurn am Hart über Haselberg bei Gurkfeld) in Krain befand sich in den Jahren 1825 bis 1876 im Besitz des Grafen Anton Alexander von Auersperg (1806–1876), mit Pseudonym Anastasius Grün, seines Zeichens deutscher Dichter und liberal gesinnter, dezidiert prodeutsch orientierter Politiker. Er war ein Freund des größten slowenischen Dichters Dr. France Prešeren und übersetzte dessen Gedichte und auch slowenische Volkslieder. Im Jahre 1839 heiratete er Marie Reichsgräfin Attems (1816–1880), die Tochter des steirischen Landeshauptmanns. Das Paar richtete sich auf Schloss Thurn am Hart ein, wobei sie das Äußere des Schlosses nicht veränderten, wohl aber im Inneren modernisierten und einen weitläufigen, romantisch konzipierten englischen Garten anlegten. Die Auerspergs waren mit dem Schloss sehr verbunden und malten und zeichneten es mehrmals, so daß sich eine ganze Reihe von Schlossansichten erhalten hat. Im Zuge der Erneuerungen bestellten sie neue Möbel und ließen die Räume der neuesten Mode entsprechend ausmalen. Auf Besucher machte die neue Schlosseinrichtung einen großen Eindruck, wie den Aufzeichnungen einiger Zeitgenossen (Eduard von Bauernfeld, Dr. Constant von Wurzbach, Ignaz Franz Castelli) zu entnehmen ist.

Eventuelle schriftliche Quellen, denen man Genaueres über die Inneneinrichtung des Schlosses entnehmen könnte, sind zur Zeit zwar nicht bekannt, aber man weiß wenigstens von einem Zimmer genau, wie es im Jahr 1840 ausgesehen hat. In der Neuen Galerie des Landesmuseums Joanneum in Graz befindet sich nämlich ein von Marie Auersperg signiertes, mit 1840 datiertes in Öl auf Pappe gemaltes Bild mit dem Titel: Interieur aus Schloss Thurn am Hart bei Krain. Marie Gräfin von Auersperg, die wir vor allem als begabte Malerin typischer Biedermeier-Blumenstilleben und wenigstens eines Früchtestillebens kennen, stellt sich mit genanntem Bild nun auch als Interieurmalerin vor. Bei dem dargestellten Raum handelt es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um ihr Wohn- bzw. Arbeitszimmer. Trotz einiger geringfügiger perspektivischer Unzulänglichkeiten besticht die Darstellung durch ihre bildliche Frische und ist in der Wiedergabe einer bestimmten Zeit, eines bestimmten Raumes und persönlichen Geschmacks eine auf jede Weise aussagekräftige künstlerische Leistung.

Dargestellt ist ungefähr die Hälfte eines geräumigen rechteckigen Zimmers mit zwei doppelflügeligen Fenstern. Durch das linke Fenster sieht man eine Pappel(?)-Allee, durch das rechte eine Ebene mit einem Fluß und Hügeln in der Ferne. Die Glastüre links und die Türöffnung rechts geben den Blick frei auf je einen kleinen Teil der angrenzenden Zimmer. Große Aufmerksamkeit widmete die Malerin dem – perspektivisch zwar etwas überzogenen –sog. französichen Parkettboden, dessen Bretter in schlichtem Fischgrätenmuster ausgelegt sind. Mit Ausnahme der in einem hellen Rosa gehaltenen Fensterwand sind die Decke und die übrigen Wände cremefarben. Von der Mitte der Decke hängt ein Kronleuchter an Ketten, dessen Reifenform an gotische Kronleuchter erinnert. Die vier Tüllen könnten durchaus für Kerzen gedacht sein, es könnte sich aber auch um die damals recht beliebten heller brennenden Rüböllampen mit Argand´schen Rundbrennern handeln. Vor den Fenstern hängen leicht geraffte duftige Musselingardinen an schlichten Messingstangen.

Die Einrichtung des Zimmer bilden zwei sog. Wohninseln. Vor der rechten Fensterecke

steht ein typisch biedermeierlicher Damenschreibtisch auf je zwei Säulchenpaaren mit

gemeinsamen Basen und einem Aufsatz mit Fächern und Laden. Davor steht statt eines bequemen Lehnstuhls ein leichter Faltsessel mit gedrechseltem Gestell und schlichten hölzernen Armlehnen, wie sie in den zwanziger und dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts in den Musterkatalogen der angesehenen Wiener Möbelfabrik Danhauser angeboten wurden. Quer über die linke Fensterecke ist eine Sitzgarnitur, bestehend aus einem Liegesofa (Chaiselongue), einem Tisch und drei Stühlen mit Sprossenlehnen. In der Ecke prangt auf einem aus Rohr geflochtenen Blumenständer eine voll erblühte Flamingoblume.

Auf der Etagere zwischen den Fenstern stehen goldgerahmte Bildchen, drei modisch ausstaffierte Püppchen, zwei Porzellantassen - vermutlich Vedutentassen, zwei Holzkästchen und Bücher. Bei dem gerahmten Bild auf dem Schreibtisch handelt es sich wohl um das Bildnis des Ehemannes.

Die Stimmung des dargestellten Raumes von Schloss Thurn am Hart ist charakteristisch biedermeierlich – das Zimmer ist geräumig, hell, architektonisch ungegliedert und verhältnismäßig schlicht ausgestattet, mit einigen linearen Akzenten und duftigen, fast durchsichtigen Vorhängen. Die biedermeierlich zarte Wand- und Deckenfarbe und das Weiß der Fenster- und Türrahmen dämpfen das an sich recht intensive zweitonige Braun des Holzbodens. Die einheitliche blaue Bespannung der Sitzmöbel, die unterhalb der Decke umlaufende blaue Bordüre sowie der kleine blaue Teppich (oder ein Fußkissen?) unter dem Schreibtisch runden das Zimmer farblich harmonisch ab. Die zwei tonangebenden Komplementärfarben – das helle Rosa und das dunkle Blau zu neutralem Weiß – lassen ein bewußtes Streben nach einer von Johann Wolfgang von Goethe im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts theoretisch begründeten Harmonie der Farben erahnen.

Die dargestellten Möbel sind schlicht gestaltet, ohne Zierat und in den natürlichen Farben des Holzes. Zu jener Zeit und in jenem Umfeld zeugten nicht etwa pompös überladene Formen vom Wert einer Einrichtung, sondern die Erlesenheit der einzelnen Stücke aus beständigen und hochwertigen Materialien. Da Thurn am Hart nicht das einzige Domizil der Auerspergs war, könnte dieses Arbeitszimmer der Hausherrin möglicherweise schlichter ausgestattet gewesen sein als jenes in der Stadtresidenz. Man würde mit Recht mehr Bilder an den Wänden erwarten und das Fehlen eines großen Bodenteppichs weist wohl darauf hin, dass das Schloß vor allem im Sommer genutzt wurde. In dem schlichten eleganten Interieur von 1840 erkennen wir also Biedermeiermöbel, die höchstwahrscheinlich aus Wien und Graz stammen; von der älteren Schlosseinrichtung der Eltern Anastasius Grüns wie auch von Möbeln im Stile des bereits aktuellen Zweiten Rokokos weiß man nichts.

Wie den schriftlichen Quellen zu entnehmen und wie aus dem behandelten Bild ersichtlich ist, bewahrten der Graf und die Gräfin Auersperg die altehrwürdige Architektur des Schlosses und gestalteten nur die Inneräume modern aus. Die Darstellung des Arbeitszimmers der Gräfin gewährt einen unmittelbaren, ja intimen Einblick in das Heim einer Angehörigen des krainischen Hochadels. Bei der Einrichtung folgte der Adel der idealen Vorstellung von einer typisch großbürgerlichen, ausgewogen eleganten und doch bequemen Wohnung. Viele Adelige verstanden in jenen stürmischen Jahrzehnten eine derartige räumliche Ausgestaltung als Ausdruck ihrer Konformität mit dem politischen Streben nach einer stärkeren Demokratisierung der Gesellschaft und Liberalisierung der Wirtschaft. In diesem Sinne sahen sich vielleicht auch Anton Alexander und Marie, Graf und Gräfin Auersperg, als moderne, freidenkende Repräsentanten ihrer Zeit. Der Verbleib des damaligen Schlossmobiliars ist weitgehend unbekannt, doch weckt das im Bilde festgehaltene und hier behandelte Interieur die Erinnerung an eine der glanzvollsten Perioden in der Geschichte des Schlosses Thurn am Hart.