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Janez HÖFLER

Die graphischen Vorlagen für die Fresken in Hrastovlje

Die Ausmalung der Trinitätskirche von Hrastovlje in Slowenisch-Istrien, ein mit der Jahreszahl 1490 datiertes Werk des einheimischen Künstlers Johannes von Kastav (Castua) (Janez iz Kastva, Ivan iz Kastva), zählt zu den umfassendsten Denkmälern der gotischen Wandmalerei in Slowenien. Außerdem zeichnet sie sich durch eine besonders großzügige und zugleich ausgewogene thematische Anlage aus. Neben der Ostpartie (Chor, Triumphbogen, Seitenapsiden) verdient vor allem das dreischiffige Langhaus Beachtung: Am Gewölbe des Mittelschiffs die Genesis in 13 Szenen bis zur Ermordung Abels und zum Verhör Kains, die Monatsarbeiten an den Gewölben der Seitenschiffe, Zug und Anbetung der Heiligen Drei Könige an der Nordwand als »pars pro toto« für die Kindheit Jesu und die erste Offenbarung Gottes, die Passion Christi an der Süd- und angrenzenden Westwand, die mit einem Totentanz in der Funktion des Weltgerichts im schmalen unteren Streifen der Südwand schließt. Es sieht aus, als hätte man es dabei mit einer allumfassenden Heilsgeschichte im Sinne der monumentalen französischen Kunst des 13. Jahrhunderts zu tun; in dieser Hinsicht aufschlußreich ist besonders die inhaltliche wie auch physisch-räumliche Anknüpfung der Monatsarbeiten an die Schöpfungsgeschichte, was zur Entstehungszeit der Fresken isoliert gewesen zu sein scheint.

Die einzelnen Themen und die bildkünstlerischen Formulierungen der Fresken in Hrastovlje sind weitgehend der örtlichen Überlieferung verpflichtet, wie sie vor allem durch die Chormalereien der Nikolauskirche zu Pazin (Südtiroler Werkstätte, um 1460–1470, mit einer Schöpfungsgeschichte am Gewölbe) und Langhauszyklen der Marienkirche auf Škrilje (Škriljine) bei Beram (Vinzenz von Kastav, 1474, u. a. Zug und Anbetung der Heiligen Drei Könige, Totentanz) begründet wurde. Auch für die Monatsarbeiten läßt sich feststellen, daß sie im Lande durch westliche Einwirkungen schon längst eingebürgert waren. Was in Hrastovlje überrascht, ist aber eben ihre Einbeziehung in ein komplettes theologisches Programm, was nirgendwo anzutreffen ist.

Der Beitrag befaßt sich mit der Frage nach den druckgraphischen Vorlagen für den Schöpfungszyklus und die Monatsarbeiten. Entlehnungen aus dem nordischen druckgraphischen Repertoire des 15. Jahrhunderts sind in Istrien von der Forschung bereits in großem Umfang registriert worden – die vierzigblättrige holländische Blockbuchausgabe der Biblia pauperum (in Pazin, in @minj, 1471, und in Beram) und die Stiche des Meisters mit den Bandrollen (in Beram) bleiben die wichtigste Quelle von dieser Seite. Das Śuvre des Letzteren schlug sich auch in Hrastovlje nieder. Die ebenso bereits erkannte Verwendung dreier erhaltener Blätter des Meisters mit den Bandrollen für die Schöpfung (L. 1– 3) läßt sich zwar nicht konkret ergänzen, doch wurde die Möglichkeit eröffnet, daß der Maler in einzelnen Fällen dazu nach Vorbildern aus Holzschnittserien griff – besprochen wurde in erster Linie die kulturgeschichtlich interessante Darstellung der Ersten Arbeit Adams und Evas –, außerdem ist nicht ganz von der Hand zu weisen, daß ihm für die zweite Hälfte des Genesiszyklus noch weitere verlorengegangene Blätter des Meisters mit den Bandrollen zur Verfügung standen.

Bisher nicht erkannt wurde die Tatsache, daß druckgraphische Vorlagen auch für die Bilder der Monatsarbeiten maßgebend waren. Die bemerkenswerte Reihe der Monatsarbeiten in Hrastovlje richtet sich in ihrem Gesamtkonzept an traditionellen mediterranen Vorstellungen, in Einzelheiten lehnt sie sich aber an zeitgenössische gedruckte Kalender an, unter denen ein deutscher Kalender (um 1485, bekannt nach der Ausgabe bei Johann Schoensperger in Augsburg, 1487) konkret angegeben werden kann. Die »piktogrammartige« Medaillonform der Darstellungen und einzelne Kompositionen (Traubenlese und Keltern für September, Schnitterin für Juli, Pflügen für Oktober und Mann am belegten Tisch für Dezember u. a.) bezeugen die Verwendung dieses Drucks. Die italienischen Kalender (Nachdrucke einer Florentiner Urausgabe von 1465) scheinen hingegen nicht berücksichtigt worden sein.

Wie bisher bekannt, stellen die Kopien nach den Schöpfungsstichen des Meisters mit den Bandrollen und die Verwendung eines deutschen Kalenders für die Monatsarbeiten in Hrastovlje beachtenswerte Raritäten dar und rollen weitere Fragen über die Rezeption der frühen Druckgraphik in der bildenden Kunst Sloweniens und in weiteren Gebieten Mitteleuropas auf, die noch gründlich zu erforschen sind.